Timo Ullmann befragt mit eigenwilligen Videoexperimenten die Möglichkeiten und Grenzen der Bildproduktion. Er überschreitet den gängigen Umgang mit dem Videobild, indem er physisch mit den digitalen Medien interagiert und so neue Wahrnehmungsfelder schafft. Er nutzt dazu seinen eigenen Körper, Pfeil und Bogen, klassische Lichtquellen oder die von musikalischen Produktionen bekannten Loops. So wird während der dreiwöchigen Ausstellungszeit das ECK-Schaufenster zur Bühne. Sechs neue Videoarbeiten werden rund um die Uhr vom Aussenraum aus zu sehen sein. Hinter dem Bildschirm ist das normalerweise nicht sichtbare Setup, die Produktionsebene, zu sehen. Am Abend wird das Schaufenster beleuchtet und selber zum Display.
«Flachbildschirme sind omnipräsent, sie hängen oder stehen in Schaufenstern, in Verkehrsmitteln, in privaten und öffentlichen Räumen. Durch diese digitalen Fenster tauchen wir in virtuelle Sphären ein oder nutzen sie als Schnittstelle für die Kommunikation mit Menschen und Maschinen. Mobil oder statisch informieren, orientieren, umwerben, begleiten und berieseln sie uns. Seit einem Jahr arbeite ich an «The Screentest Series» in welcher ich die Eigenarten, Metaphern und Implikationen dieses Mediums auf subversive Weise auslote.»
Dieses Statement fasst treffend das Interesse des Künstlers zusammen. Als Zuschauer*innen werden wir von dessen visuell komplexen Werken zuerst durch präzise Bildkompositionen verführt. Wir werden aber auch herausgefordert, denn wir sind es nicht gewohnt, hinter digitalen Bildern reale physische Prozesse zu vermuten, zu sehr ist unser Auge an die unendlichen Möglichkeiten der Bildbearbeitung und die Ästhetik animierter Welten gewohnt.
Die von Timo Ullmann für das ECK konzipierten Videoperformances sind eigentliche Bildgeburten, denn sie kommen ohne vorproduzierte Abbildung aus. Das Bild wird vor Ort generiert und mit den eigenen Mitteln transformiert. Bildrahmen, Lichtquelle und der Körper des Künstlers, kombiniert mit konzisem Aufnahmekonzept und entsprechender Programmierung macht für den aufmerksamen Beobachter nachvollziehbar, wie diese Bilder laufen lernen: Finger spazieren im Takt um den Bildschirm, Hände öffnen und schliessen einen Touch-Screen-Vorhang, gespenstige Bildstörungen scheinen aus dem Nichts aufzutauchen. Sound- und Bildloops und Liveprozesse verweben sich zu einem stimmungsvollen Prozess, den die Besucherinnen und Besucher von der Strasse aus, ausgerüstet mit Kopfhörern, verfolgen können.
Als Timo Ullmann seine Arbeit «colorscreen» konzipierte, wusste er noch nichts von der Pandemie und deren Konsequenzen. Seinen Atelieraufenthalt in der Cité des Arts Paris musste er vorzeitig abbrechen. Sein Projekt bekam in der Zeit der Krise eine neue Dimension, waren doch alle auf der ganzen Welt verpflichtet, zu Hause zu bleiben. Der Blick aus dem Fenster, den er von professionellen Fotografen für die Arbeit «windowscreen» einfangen liess und von Freunden und Kollegen für das Projekt «lockdown view», greift somit treffend die neue Realität des ungewollten Rückzugs, der schmerzlich bewussten Trennung von Innen und Aussen auf. Die Umsetzung im ECK mit der Thematisierung von Innen- und Aussenraum wäre auch ohne Pandemie eine spannende künstlerische Arbeit gewesen. Nun bekommt sie einen unmittelbaren Realitätsbezug.
Timo Ullmann (*1987) lebt und arbeitet in Aarau. 2013, Bachelor Kunst und Vermittlung HSLU, Master of Arts 2015 in Art and Public Spheres, HSLU. Einzel- und Gruppenausstellungen und Performances seit 2010. www.timoullmann.com