Ursula Rutishauser (*1955) und Andrea Heller (*1975) fordern beide dazu auf, eigene, mentale wie räumliche Standpunkte zu erproben. Vor dem Hintergrund einer durch und durch vermessenen Welt schlägt «Latitude» temporäre, fragile Installationen vor und testet die Grenzen des Mediums Zeichnung, in dem beide Künstlerinnen verwurzelt sind.
Ihr Strich kann ein Schnitt sein, die Zeichnung ein Raumteiler oder ein Knäuel, der je nach Perspektive zur Scheibe oder Kugel wird. Ursula Rutishauser hat Zeichnungen in den Himmel geschickt und sucht den Austausch mit Musik. Ein feiner Schattenwurf oder der Hauch einer Farbreflexion verselbständigen sich, gehen mit dem Lichteinfall im Raum spazieren: Weit weg am Horizont oder als Schimmer an der weissen Wand entdecken wir Bilder, in denen flüchtige Gedanken aufgehoben scheinen. Die Aargauer Künstlerin realisiert Schnitte in Papier und in andere, plane Materialien. Im Zimmermannhaus lässt sie drei grosse, mit Schnitten ‹bezeichnete› Papierbahnen von den Balken und zu Boden fallen. Sie umspielen auch den Bösendorfer-Flügel, der zweimal auch als Instrument zum Einsatz kommt. ‹Am Papier und am Klavier› heisst es dann: Im Paarlauf von Musik (Adrian Frey) und Installation überführt die Improvisationskunst den Raum in einen jeweils anderen Zustand. Gezeichnete, notierte, geschnittene Werkskizzen legen entlang der Wand Hintergründe von Rutishausers aktuellem Schaffen auf.
Andrea Heller entwickelt ihre Arbeit in einem medial breiten Repertoire: Malerei, Keramik, Glas-, Gips- und Textilobjekte, auch Text oder Künstlerbücher tragen ihre Handschrift. Die Künstlerin interessiert sich für ein Spannungsfeld zwischen Gebautem und Gewachsenem, zwischen dezidierten Setzungen und dem Kippmoment, wo vermeintlich Vertrautes zur flüchtigen Idee, zu Erinnerung gerinnt. Konstruktionen – physisch gebaute, gedankliche, erträumte – beschäftigen sie in ihrer Haptik sowie Fragilität. Die aus eingefärbtem Gips in mehreren Schichten entstandenen Platten aus der Serie «Zones» weisen unterschiedliche Einteilungen, Erhöhungen, Linien und Abgrenzungen auf. Ausgehend vom Modellcharakter und der Zeichenhaftigkeit von Landkarten, erfindet Heller ihre eigengesetzlichen Topografien. In die angelegte Vogelperspektive mischen sich andere Sichtweisen: Ist da Landschaft, ist da Körper, oder ist da zunächst und vor allem Bild, Abdruck, Relief? Geht solch unscharfe Nachzeichnung von Erinnertem aus oder ist sie das Modell künftiger Raumgestaltung?
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Ursula Rutishauser & Andrea Heller
«Latitude»